© Thomas Seifert
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Exkurs 1:
mit Bezugnahme auf Ad Konings‘ Abhandlung über Artbildung in:
„Malawi-Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum“, Band 2, Cichlid Press,1995, S. 20ff.
Gemäß Konings „ist es wichtig, dass wir Aquarianer die natürliche Vielfalt erhalten und Kreuzungen von Tieren unterschiedlicher Populationen vermeiden.“
Diesem Postulat möchte ich ein paar Gedanken entgegenstellen:
- Bedenken sollte man, dass Kreuzungen bei Malawibarschen nicht nur bei Tieren der gleichen Art unterschiedlicher Population bzw. Standortvariante vorkommen.
- dass sich auch in der Natur bei sympatrischer Artbildung eine neue Art in der Gegenwart der Art, von der sie sich abspaltet, entwickelt.
- dass ich mehrmals beobachten konnte wie in einem 6000-Liter-Becken verschiedene Arten miteinander ablaichten.
- dass sich entweder Weibchen, trotz des Vorhandenseins artgleicher balzaktiver Männchen, mit anderen artfremden Männchen einließen oder bestimmte besonders potente Männchen willkürlich ablaichbereite artfremde Weibchen erfolgreich zum Ablaichen animierten.
- dass die Sozialisation von Fischen in einem Gesellschaftsbecken von Anfang an, d.h. „von Jugend an“ eine optische, vielleicht auch „geruchliche“(?) oder sogar „Gensprung-bewirkende“ „Sympathie“ unter verschiedenen Arten auszulösen vermag. (???)
- dass all diese Ablaich-Kombinationen dahingehend erfolgreich waren, dass sich ein Reifeprozess der Eier im Maul der Weibchen beobachten ließ und sich fortpflanzungsfähige gesunde Fische entwickelten!
- dass ich Paarungen zwischen Aulonocara redflush und Pseudotropheus acei(!), Nimbochromis fuscotaeniatus und Copadichromis borleyi kadango (red fin)(!), Protomelas taeniolatus und Cyrtocara moorii(!) und und und....... beobachten konnte.
- dass seit Jahrtausenden „spontan“ auftretende Änderungen und Neukombinationen im Genom von Nutzpflanzen und Nutztieren „herausgefischt“ und neukombiniert wurden bzw. werden.
- dass die Natur selbst seit Milliarden von Jahren Gentransfer und Genmanipulation betrieben hat und noch betreibt.
- dass wir ohne menschliches Zutun niemals eine solche Variationsvielfalt wie z.B. beim Diskus, Guppy etc. erreicht hätten.
- dass ein allgemeines Verdikt zur „Rassenreinhaltung“ besonders in unserem Land einen schalen Beigeschmack hat.
- dass eine ja sowieso nur im künstlichen Lebensbereich Aquarium existierende neue Art, sprich Farbvariante, keinerlei negative Auswirkungen auf die im See existierenden Fischpopulationen haben kann, ja möglicherweise sogar eher positiv dahingehend zu bewerten wäre, dass jeder nachgezüchtete Fisch – egal ob „rein“-rassig oder gewissermaßen von Menschenhand geschaffen – mit dazu beiträgt, dass der See nicht „überfischt“ wird oder – wie bereits geschehen – manche Arten gar ausgerottet werden.
Exkurs 2:
zum Thema: "Präferenzgene" - "Fische, Meister der Vielfalt"
mit Bezugnahme auf den Spiegel-Artikel 52/05 von Jörg Blech, Rafaela von Bredow und Johann Grolle
"Darwins Werk, Gottes Beitrag" (S. 136 - 147)
In Ihrem Artikel gehen oben genannte Autoren auf die Beobachtungen des Fischexperten und Evolutionsbiologen Axel Meyer der Uni Konstanz ein:
Gemäß Axel Meyer entstehen bei der Verschmelzung des Erbgutes von Fischmännchen und Fischweibchen "in jeder Generation überraschend Neues an Farben, Formen - und letztlich, sehr viel später, auch Arten".
Nach Meyer trägt Sex allgemein und direkt zur Artbildung bei: "Manchmal scheinen sich Angehörige ein und derselben Art plötzlich nicht mehr sexy zu finden und entwickeln sich fortan getrennt von einander weiter". (S. 146)
Diese Geschmacksveränderungen, d.h. die Tatsache, dass z.B. einige der Fischweibchen plötzlich auf goldene Lover abfahren und die alten schwarzweißen Favoriten links liegen lassen, schlägt sich gemäß Meyer im Erbgut nieder, was möglicherweise auf eine Art Präferenzgene, welche die Partnerwahl beeinflussen, zurückzuführen ist.
Die Strahlenflosser, eine Unterart der Actinopterygii (Knochenfische), auf die über 99 Prozent aller bekannten lebenden Fischarten - also auch die Cichliden zurück gehen, mit ihren 25 000 Arten!!!, hätten laut Meyer vor 350 Millionen Jahren ihr Erbgut verdoppelt. Diese Artenmehrung durch Erbgutverdopplung habe wahrscheinlich so funktioniert, "dass Kopie A den normalen Job macht. Kopie B fröhlich vor sich hin mutiert". Das eine Genom garantiere also den gewöhlichen Fortpflanzungs- und Überlebensbetrieb. Mit der Kopie aber könnten die Fische gefahrlos experimentieren. Varianten, die funktionierten und Vorteile brachten, wurden dann fest installiert.
Laut Meyer ist dies gerade das heiß diskutierte Thema unter den Evolutionsbiologen.
Meiner Meinung nach könnte diese Theorie also auch auf die vielen Cichliden-Spezies des Malawisees oder eben auch auf unsere Aquarien-Cichliden zutreffen!?
Allgemein möchte ich jedem Liebhaber dieser außerordentlich interessanten und vielfältigen „Fisch-Juwelen“ an dieser Stelle Mut machen, ruhig einmal die Produkte einer „Rassen-überschreitenden Fisch-Liaison“ aufzuziehen und sie einfach als eine „Laune der Natur“ oder auch als „Naturwunder“ zu akzeptieren. Beim Züchten von Lebewesen allgemein können also wir Menschen, d.h. auch jeder, der sich als Aquarianer mit der Zucht neuer Fischarten beschäftigt, auf geradezu phaszinierende Art und Weise selbst zum Schöpfer werden.
Wie Darwin im letzten Satz seinen "Origin of Species" schreibt, ist es etwas "wahrlich Erhabenes...dass, während sich unser Planet nach den Gesetzen der Schwerkraft im Kreise bewegt, aus einem so schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und noch weiter entsteht"!